Die 4-Tage-Woche und ein verlängertes Wochenende – ein neuer Trend?
Seit einigen Jahren wird über das Modell der 4-Tage-Woche in Deutschland heiß diskutiert. Immer mehr Unternehmen setzen dieses Modell in die Praxis um. Auch die UTB geht ab dem 1. Juli diesen Weg und möchte die Work-in-Life-Balance nicht nur auf dem Papier ersichtlich, sondern auch im realen Leben erlebbar machen.
Ein Gespräch mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Thomas Bestgen und Personalreferentin Anja Lang.
4-Tage-Woche: Ein neues Modell für die Gesellschaft oder Work-in-Life-Balance der Zukunft? Wann kam Ihnen der zündende Gedanke, dass die UTB dieses Arbeitszeitmodell umsetzen möchte?
Thomas Bestgen: Die Einführung der 4-Tage-Woche war das logische Ergebnis eines schleichenden Prozesses, der die Änderung des Arbeitsmarktes verdeutlicht.
Die Menschen haben andere Ansprüche an ihren Job, als es noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Die Arbeitswelt hat sich geändert, das haben uns vor allem die vergangenen Jahre mit Corona und Homeoffice aufgezeigt. Agiles Arbeiten, Digitalisierung, Reorganisation – Change-Prozesse bestimmen das Arbeitsleben und führen dazu, dass sich Arbeitsstrukturen ändern. Auch wir haben in diesem Zuge unsere Arbeitsprozesse hinterfragt, angepasst bzw. optimiert.
Die Verknüpfung von Arbeit und Alltag ist fließend und geht ineinander über. Die sogenannte Work-in-Life-Balance spielt hier eine besondere Rolle.
Des Weiteren haben uns die positiven Ergebnisse aktueller Studien anderer Länder, wie zum Beispiel Großbritannien stark motiviert. Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass sich bei einer 4-Tage-Woche die Arbeitnehmer*innen weniger gestresst fühlten. Sowohl die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden als auch die Zufriedenheit waren deutlich höher und die Beschäftigten empfanden eine bessere Work-in-Life-Balance. Dies ließ sich auch an der Produktivität messen, die entweder stieg oder auf einem stabilen Niveau gehalten wurde.
So bringen die Veränderungen der heutigen Zeit viele Möglichkeiten mit sich, um die Arbeitswelt flexibler, familienfreundlicher und zukunftsorientierter für Arbeitnehmer*innen zu gestalten. Demzufolge möchten wir mit dem neuen Arbeitszeitmodell auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden aller Altersklassen eingehen.
Produktivität und Wohlbefinden sollen schließlich Hand in Hand gehen.
Die 4-Tage-Woche hat viele Umsetzungsmöglichkeiten, wie sieht es konkret bei der UTB aus?
T.B.: Damit das Modell erfolgreich funktionieren kann, mussten einige Prozesse umgestellt werden. Um einen leichten und akzeptablen Übergang vom alten Arbeitszeitmodell hin zur 4-Tage-Woche zu vollziehen, haben wir eine zweimonatige Übergangszeit eingeführt. Dafür holten wir die Mitarbeitenden wieder zurück ins Büro und führten montags bis donnerstags eine Präsenzpflicht ein. Freitags hingegen versetzten wir die Mitarbeitenden dann ins Homeoffice, sodass wir in der Übergangszeit bereits eine ähnliche Ausgangsbasis schafften. Niemand war physisch im Büro anwesend. Das uns in dieser Zeit entgegengebrachte positive Feedback signalisierte Zufriedenheit und Einverständnis.
Nun geben wir mit dem Freitag jedoch den zusätzlichen freien Tag durch die Umstellung auf die 4-Tage-Woche vor. Es ist uns besonders wichtig, dass alle Mitarbeitenden drei Tage Erholung am Stück genießen und diese Zeit individuell für Persönliches und zur Regeneration nutzen können. Einen beliebigen Arbeitstag frei machen oder eventuell jede Woche zu variieren, empfanden wir als eher schwierig zu handhaben, nicht nur intern, sondern auch für unsere externen Geschäftspartner*innen, für die wir zuverlässig zu erreichen sein wollen. Damit wirken wir dem Fehlen eines “Bausteines” an diesem Tag entgegen, den das restliche Team ausgleichen müsste, sowie der damit einhergehenden Informationseinholung am Folgetag. Das sind Arbeitsschritte, die wir möglichst einsparen und rationieren wollen.
Unsere Geschäftspartner*innen wurden frühzeitig über den Wechsel unseres Arbeitszeitmodelles informiert und auch auf unserer Unternehmensseite berichten wir weiterhin über unsere 4-Tage-Woche.
Wie war das Feedback der Mitarbeitenden, als Sie mit der Idee um die Ecke kamen?
Anja Lang: Nach der ersten Euphorie und Freude über die reduzierte Wochenarbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt kam in gemeinsamen Gesprächen auch der eine oder andere skeptische Gedanke auf. Schließlich waren wir alle zuvor auch an 5 Arbeitstagen gut ausgelastet. Aber in einem sind wir uns alle sicher: WIR wollen es gemeinsam schaffen!
Haben Sie sich von anderen Unternehmen, die bereits eine 4-Tage-Woche eingeführt haben, inspirieren lassen?
T.B.: Da wir als Unternehmen unsere Arbeitsweisen regelmäßig hinterfragen und uns neuen Herausforderungen stellen, haben wir die öffentliche Diskussion natürlich mit großem Interesse verfolgt. Wie ich bereits anfänglich erwähnte, betrachteten wir nicht nur deutschlandweite Unternehmen, sondern richteten unseren Blick auch nach Großbritannien oder anderen europäischen Ländern. Ein spezifisches Unternehmen hatten wir diesbezüglich nicht als Inspirationsquelle. Einzig allein einige wissenschaftliche Studien waren für uns ausschlaggebend uns auch mit der Thematik zu befassen. Nach einem interessanten Artikel in einer Fachzeitschrift setzen wir uns schlussendlich zusammen und führten unsere eigenen internen Diskussionen, ob, wie und wann wir diesen Schritt des Wechsels hin zum aktuellen Arbeitszeitmodell in Angriff nehmen wollen.
Wie gehen Sie mit projektbezogenen Arbeitslasten um, wenn eine 5-Tage-Woche erforderlich ist?
T.B.: Zuallererst ist zu sagen, dass ein reibungsloser Ablauf unserer Projekte bzw. unserer Arbeit weiterhin sichergestellt wird. Sollte es dennoch zu temporären Abgabepflichten kommen, was in der Projektentwicklung hin und wieder vorkommen kann, ist es selbstverständlich, dass wir auch an eigentlich freien Tagen arbeiten werden. Das ist früher so gewesen und wird weiterhin so gehandhabt.
Freitags besteht kein Arbeitsverbot, aber Montag bis Donnerstag ein Arbeitsgebot.
Da wir eine gute Struktur haben, gehen wir aber nicht davon aus, dass freitags gearbeitet werden muss.
Was erwarten Sie, welche Auswirkungen oder mögliche Folgen dieser Implementierung des Arbeitszeitmodells auf die Produktivität und Effizienz der Mitarbeitenden haben?
A.L.: Vermutlich werden die ersten Wochen ein wenig holprig werden. Wir werden unsere Prozesse und Arbeitsschritte genauer unter die Lupe nehmen. Ist jeder Step wirklich sinnvoll, notwendig und vor allem wertschöpfend? Wo stecken die sogenannten „Zeitfresser“?
Da wir schon vor der Umstellung von der 5- auf die 4-Tage-Woche sowohl digital als auch prozessual sehr gut aufgestellt waren, wird es uns nicht schwerfallen, die “Rädchen” zu finden, an denen wir drehen müssen, um unsere Arbeitsweise zu optimieren. Es geht darum unnützen Ballast abzuwerfen. Wir wollen dieselben guten Ergebnisse erzielen, wie bisher aber den Weg dahin schauen wir uns genauer an. Dort, wo es Sinn macht, werden wir optimieren. Und am Ende des Tages wollen wir: mehr Freizeit für körperliche und geistige Erholung, mehr Zeit für Familie und Freunde, mehr Zeit für sich selbst, Sport, kreative Dinge, Ehrenamt usw. auftanken, zufrieden und stark sein.
Welchen positiven Nutzen und welche Auswirkungen erhoffen Sie sich?
T.B.: Uns liegt vor allem der Erholungsfaktor unserer Beschäftigten am Herzen. Nach drei Tagen Erholung kommen die Mitarbeiter*innen mit viel mehr Motivation zurück zur Arbeit. Während früher freitags oftmals noch sehr lange gearbeitet wurde oder auch das ein oder andere Mal die Arbeit gedanklich mit nach Hause genommen wurde, begrenzte sich die Erholungsphase meist nur auf einen freien Tag. So ein Wochenende vergeht dann wie im Flug. Neben Einkäufen und Haushalt fällt richtiges Abschalten und den beruflichen Stress vergessen, an freien Tagen dann sichtlich schwerer.
Diesem Erschöpfungsgrad möchten wir mit der Einführung der 3-Tage-Freizeit-Woche entgegenwirken und den Mitarbeitenden eine möglichst hohe Regenerationsphase zu ermöglichen, damit diese am Montag mit Freude, Motivation und frischer Energie im Büro erscheinen.
Welches Unternehmen hat nicht gern motivierte und zufriedene Beschäftigte!
3-Tage-Freizeit-Woche: Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt in Zeiten von Fachkräftemangel? Bietet die 4-Tage-Woche ein überzeugendes Argument für die Suche nach neuen Mitarbeitenden?
A.L.: Definitiv fällt es den Bewerber*innen auf und ich bin, seitdem wir unsere Stellenausschreibungen mit dem Benefit der 4-Tage-Woche ergänzt haben, mehrfach angesprochen worden. Die Message, dass wir die 4-Tage-Woche eingeführt haben, erzeugt Aufmerksamkeit und wird als echter Mehrwert wahrgenommen. Und ich muss wirklich sagen, dass sich momentan sowohl auf unsere aktuellen Ausschreibungen als auch initiativ sehr qualifizierte Bewerber*innen melden, so dass wir in Kürze 5 neue Mitarbeiter*innen einstellen konnten.
Wann ziehen Sie das erste Mal Bilanz und entscheiden, ob das Projekt weitergeführt oder angepasst wird?
T.B.: Eine erste Bilanz werden wir bereits Ende September ziehen. Mitte Dezember folgt die finale Entscheidung. Da wir von der 4-Tage-Woche überzeugt sind, gehen wir davon aus, dass wir folglich weiterhin Montag bis Donnerstag alles geben und am Freitag Energie für die nächsten nachhaltigen Stadtquartiere sammeln.
Bereits während der ersten Wochen können wir erkennen, dass die Informationsflut (E-Mails & Co), von der wir dachten, montags überrannt zu werden, ausbleibt. Externe Partner*innen nehmen wahr, dass wir freitags nicht im Büro sind und kontaktieren uns daher erst wieder montags.
Somit schaffen wir mit vielen kleinen Schritte einen großen Mehrwert für unsere Mitarbeitenden und die UTB.